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    Ankerheuristik

    Bei der Ankerheuristik handelt es sich um eine mentale Faustregel, die wir unbewusst bei Entscheidungen oder dem Fällen von Urteilen nutzen. Sie gehört zu einer Gruppe von Heuristiken, die wir deshalb auch „Urteilsheuristiken“ nennen. Darunter fallen beispielsweise auch die Verfügbarkeitsheuristik bzw. die Availability Heuristic sowie die Repräsentativitätsheuristik und die Rekognitionsheuristik.

    Definition der Ankerheuristik

    Jede und jeder von uns muss täglich eine Unmenge an Entscheidungen treffen und Urteile fällen. Um diese Aufgaben gut zu meistern, brauchen wir Informationen.

    Nicht immer stehen uns aber alle Informationen zur Verfügung. Dann versuchen wir uns eben am berühmten „educated guess“ bzw. einer wohlbegründeten Vermutung. Wie wohlbegründet ein Urteil ist, kann aber sehr unterschiedlich sein.

    Die Ankerheuristik beschreibt exakt diese Situation. Statt lange zu überlegen, nutzen wir laut dieser Urteilsheuristik möglichst konkrete Fakten als Anker, an denen unser Hirn festhält. Selbst wenn die Informationen nicht immer zur richtigen Entscheidung führen!

     

    Ein Ankerheuristik-Beispiel

    Stell dir vor, du bist mit Bekannten unterwegs. Wie das so ist, kommt es auch mal zu weniger relevanten Themen. Eine:r deiner Freund:innen fragt sich plötzlich lautstark:

    „Ist die Distanz von Basel nach Sydney größer oder geringer als 30.000 km?“

    Bevor jemand antworten kann, heißt es:

    „Nichts sagen, schreibt es auf und schiebt den Zettel rüber!“

    Welche Kilometer-Anzahl schreibst du auf? Vorausgesetzt, du kennst die Antwort nicht.

    Schauen dir das Ergebnis an. Ich kann dir mit ziemlicher Zuversicht sagen, dass du eine niedrigere Zahl angegeben hättest, wenn das Quiz mit folgenden Worten begonnen hätte:

    „Ist die Distanz von Basel nach Sydney größer oder geringer als 15.000 km?“

    Woher ich diese Zuversicht habe? Mit solchen oder ähnlichen Szenarien wurde die Ankerheuristik schon in etlichen Studien von den bekannten US-Psychologen Kahneman und Tversky überprüft.

    Der Grund für dieses Phänomen ist, dass die zuerst genannte Zahl als Referenzpunkt für dein Urteil dient.

    Wenn du mir nicht glaubst, probiere es gerne mit zwei unterschiedlichen Personen aus!

    Übrigens: Sydney ist 16.623 km von Basel entfernt.

    Ankerheuristik oder Anker-Effekt?

    Häufig wird die Ankerheuristik mit dem sogenannten Anker-Effekt gleichgesetzt und als Synonym verwendet.

    Es gibt jedoch einen kleinen, aber feinen Unterschied. Wir wollen hier keine Haarspalterei betreiben, diesen Unterschied aber trotzdem kurz aufzeigen:

    Die Ankerheuristik ist ein mehr oder weniger bewusstes Werkzeug, um Urteile zu treffen – auch wenn die verwendete Information vielleicht zu Fehlentscheidungen führt.

    Dahingegen kann die Information, die im Zuge des Anker-Effekts zu Urteilen führt, auch völlig willkürlich sein. In anderen Worten: Der Anker hat überhaupt keinen Mehrwert für die Situation. Das ist unserem Hirn aber leider einfach egal.

     

    Ein Beispiel für den Anker-Effekt im Alltag

    Nehmen wir dasselbe Beispiel wie oben. Diesmal fragt dein:e Freund:in jedoch lediglich:

    „Wie viele Kilometer liegen wohl zwischen Basel und Sydney?“

    Kurz bevor die Frage gestellt wurde, kam aus dem Fernseher in der Bar die Ansage, dass gerade jemand 30.000 Euro bzw. 15.000 Euro bei einem Gewinnspiel erhalten hat.

    Obwohl die Höhe des Gewinns rein gar nichts mit der Kilometer-Anzahl von Basel nach Sydney zu tun hat, wird sich diese Zahl vermutlich in deiner aufgeschriebenen Antwort widerspiegeln.

    Beim Anker-Effekt handelt es sich im Gegensatz zur Ankerheuristik also vielmehr um ein unterbewusstes Priming.

    Ankerheuristik in der Evolution

    Unser Oberstübchen hat natürlich einiges zu tun. Müsste es wirklich jede Situation im Detail analysieren, könnten wir auf keinen Fall so viel leisten oder entscheiden, wie wir es tagtäglich tun. Deshalb hat unser Gehirn im Laufe der Evolution viele Wege entdeckt, um „Shortcuts“ zu nehmen.

    Und genau das ist auch die Ankerheuristik: ein psychologischer Shortcut, um Situationen möglichst schnell und mit wenig kognitivem Aufwand einschätzen zu können. Evolutionär gesehen ist das natürlich eine geniale Fähigkeit.

    Stelle dir vor, du lebst in der Steinzeit und dir läuft ein unbekanntes Tier über den Weg. Du musst urteilen: Besteht Gefahr?

    Du weißt aus früheren Erlebnissen, dass wilde Tiere tödlich sein können und rennst vorsichtshalber weg. Denn bis du eine verlässlichere Pro-Contra Liste erstellt hast, bist du womöglich schon als Mittagessen verspeist worden.

    Zu hoffen ist nur, dass dir vorher kein faul rumliegenden Mitmenschen begegnet ist, der dein Urteil durch den Anker-Effekt beeinflusst…

    Die Ankerheuristik im Content-Marketing

    Wie können wir unsere Erkenntnisse über die Ankerheuristik nun im Content-Marketing einsetzen? Hier ein paar Tipps:

    Tipp 1: Preise hoch!

    Damit meine ich nicht, dass du alles zum teureren Preis anbieten sollst. Sondern:

    Im Falle von Produkt-Aufzählungen sollte das teuerste Produkt zuerst genannt werden. Dieser Preis dient Webseiten-Besucher:innen als Referenzpunkt. Die folgenden Produkte werden dementsprechend als „günstiger“ wahrgenommen.

    Diese Strategie wird beispielsweise häufig bei Software-Angeboten verwendet. Auch wenn das zweite oder dritte Produkt eigentlich immer noch sehr teuer ist, wird es nicht so wahrgenommen.

    Im Rückkehrschluss heißt das: Wenn das günstigste Produkt oben steht, ist alles, was danach kommt, „teurer“ – selbst wenn es eigentlich ein Schnäppchen ist!

    Du siehst: Indem du die Ankerheuristik clever einsetzt, entsteht ein ganz anderes Framing für das Kauferlebnis deiner Kundschaft. Sehr häufig wird die Ankerheuristik deshalb auch im selben Atemzug genannt wie der Framing-Effekt.

     

    Tipp 2: Stelle die Logik hinten an!

    Der „Preise hoch“ Tipp gilt vor allem für direkte Vergleiche auf deiner Webseite im Rahmen von Listen oder Tabellen.

    Wenn du Leistungen oder Produkte länger beschreibst und ihnen eigene Textabschnitte zuweist, solltest du anders vorgehen. Warum?

    Vor allem bei Preisvergleichen surft potenzielle Kundschaft häufig auf mehreren Webseiten gleichzeitig. Dabei wird in der Regel nicht besonders weit nach unten gescrollt, sondern bei den ersten Preisen haltgemacht.

    Um neben konkurrierenden Webseiten besser dazustehen, solltest du deshalb zuerst die Leistungen mit niedrigeren „Zahlen“ in den Preisen angeben.

    Dieser Tipp ist besonders wichtig für Dienstleister:innen, die nicht nur einzelne Leistungen anbieten, sondern ganze „Rundum-Sorglos“ Pakete. Letztere sind dann zwar meistens günstiger als die Summe aller Einzelleistungen – unser Gehirn merkt sich jedoch nur die „Zahlen“.

    In anderen Worten: Auch wenn du der Kundschaft eigentlich ein schmackhaftes Angebot machst, macht dir der Anker-Effekt – ja, hier ist es der Anker-Effekt – in diesem Fall schnell einen Strich durch die Rechnung.

    Denn wenn die Kundschaft deine Preise mit konkurrierenden Unternehmen vergleicht, bleiben diese wahrscheinlich dort, wo die Preise auf den ersten Blick am niedrigsten scheinen – auch wenn sie Birnen mit Äpfeln vergleichen.

    Die Vorteile des Gesamt-Pakets kannst du dem rationalen Kunden-Hirn gerne weiter unten auf deiner Seite vorrechnen. Ganz nach dem Motto: Das rationale Hirn muss sich nur bestätigt fühlen, nachdem das emotionale Hirn bereits begeistert wurde!

     

    Achtung: Der niedrigste Preis ist gut, aber nur solange er noch eine Ähnlichkeit mit dem „Anker“ hat. Wenn die Kundschaft auf verschiedenen Webseiten für IT-Leistungen surfen und die ersten Unternehmen Lösungen für 100-500 Euro anbieten, du aber Preise von 50 Euro angibst, dann ist das schon wieder zu weit vom Anker entfernt – der Kunde fühlt sich unwohl.

     

    Tipp 3: unvergleichliche Angebote

    Auch bei diesem Tipp geht es darum, wie du im Vergleich zu konkurrierenden Webseiten und Unternehmen besser abschneiden kannst.

    Hier geht es jedoch nicht darum, die Ankerheuristik besser für sich zu nutzen, sondern die Ankerheuristik „auszutricksen“.

    Du kennst das Problem bereits: Das erste Unternehmen, das der Kundschaft auf seiner Customer Journey oder dem Preisvergleich begegnet, gibt den Anker für die Preise des Produkts oder der Leistung vor.

    Aber was, wenn du ein ähnliches Produkt anbietest wie das erste Unternehmen, deines jedoch aufgrund besserer Qualität auch hochpreisiger ist?

    In dem Fall kannst du aktiv gegen die Ankerheuristik vorgehen!

    Wie? Indem du unvergleichliche Produkt-Bezeichnungen bietest.

    Ein bestimmter Coffee-Shop macht es vor: Anstatt kleine, mittlere und große Kaffees anzubieten, kauft man bei Starbucks Tall, Grande und Venti.

    Klar, auch hier kannst du die Größen miteinander vergleichen. Aber der Schock durch einen direkten Preisvergleich bleibt unserem Unterbewusstsein erst einmal erspart. Und die Aussicht auf duftenden Kaffee betört in der Regel, bevor das rationale Mathematik-Hirn siegt.

    Kurzum: Werde kreativ bei deinen Leistungsbezeichnungen.

    SEO-Tipp: Beachte, dass deine kreativen Produktbezeichnungen sehr wahrscheinlich nicht gesucht werden. Du solltest diese also nie alleinstehend nutzen, wenn SEO für dich ein relevanter Marketingkanal ist.

     

    Tipp 4: Ankerheuristik aus allen Rohren

    Nutze die Ankerheuristik so häufig wie möglich auf deiner Webseite!

    Die Preis-Angabe spielt mit Sicherheit eine große Rolle. Es geht aber noch mehr:

    Bietest du ein Abo an? Stelle die Vorauswahl in deinen Formularen auf einen längeren Zeitraum. Die Kundschaft kann natürlich immer noch frei entscheiden, aber der Anker ist gelegt.

    Du bietest Seminare für einzelne Personen oder ganze Abteilungen an? Ein Gruppenfoto macht die Anmeldung der gesamten Abteilung wahrscheinlicher.

    Zusammenfassung

    Die Ankerheuristik ist eine mentale Faustregel für Entscheidungen und Urteile. Sie ist eine Urteilsheuristik, bei der wir konkrete Fakten als Anker verwenden, um schnelle Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese nicht immer korrekt sind. Ein Beispiel ist die Frage, ob die Entfernung von Basel nach Sydney größer oder kleiner als 30.000 km ist, wobei die Antwort beeinflusst wird, wenn die Frage mit 15.000 km gestellt wird. Dieses Phänomen wurde von Psychologen wie Kahneman und Tversky untersucht.

    Im Content-Marketing kann die Ankerheuristik durch das geschickte Platzieren von Preisen und Produktbezeichnungen genutzt werden, um das Kaufverhalten der Kundschaft zu beeinflussen. Dies kann durch das Hervorheben teurerer Produkte, das strategische Platzieren von Informationen und das Verwenden unvergleichlicher Produktbezeichnungen erreicht werden. Es ist wichtig, die Ankerheuristik in verschiedenen Aspekten der Webseite zu nutzen, um das Verhalten der Kunden zu beeinflussen.