Wenn wir alle die Ziele unserer Marketing-Maßnahmen auf eine ganz simple Ebene herunterbrechen müssten, würden wir wahrscheinlich übereinstimmen. Wir wollen beim Kunden auffallen, Eindruck schinden und in Erinnerung bleiben!
Erkenntnisse aus dem Neuromarketing und der kognitiven Psychologie sind fantastisch, um jedes dieser Ziele noch effizienter auf die Spitze zu treiben.
Im Beitrag dieser Woche stürzen wir uns deshalb wieder mal auf ein psychologisches Phänomen, das Unternehmen hilft, ihr Online Marketing hirngerechter bzw. kundengerechter zu machen – konkret wird mit dem heute behandelten Chunking dem Erinnerungsvermögen unserer potenziellen Kunden auf die Sprünge geholfen!
Eine kurze Definition von Chunking
Was genau ist die Chunking-Methode? Genau genommen handelt es sich beim Chunking um einen psychologischen Prozess, bei dem wir eine Anzahl an aufgenommenen Informationen so gruppieren, dass daraus bedeutungsvolle und leichter verdauliche Brocken, die „Chunks“, entstehen.
Auf Deutsch kann man Chunking als das Bilden von Informationseinheiten übersetzen. Oder eben als Bröckchen-Bildung. Das klingt natürlich weniger appetitlich.
George Miller und die Chunking-Methode
Entdeckt beziehungsweise bezeichnet wurde dieses psychologische Phänomen 1956 vom US-amerikanischen Psychologen George Armitage Miller, der häufig als Gründer der Kognitionswissenschaften gilt.
Ein Beispiel fürs Chunking
Wie die Chunking-Methode funktioniert, lässt sich ganz einfach zeigen.
Zahlen
Ist Ihnen das schonmal aufgefallen? Nummern werden häufig nicht in einer lückenlosen Zahlenreihe wiedergegeben. Stattdessen werden sie in „Chunks“ gruppiert. Egal ob Telefonnummer, Kreditkarte oder Lizenz-Schlüssel. So werden beispielsweise Telefonnummern in verschiedenen Ländern dargestellt:
Schweiz: +41 (0)55 765 43 21
Deutschland: +49 55 123456 789
Vereinigte Staaten: (919)-555-5555
Allein schon das Unterteilen in übersichtliche Einheiten erleichtert uns das Merken der Zahlen. Am besten greift die Chunking-Methode jedoch, wenn den einzelnen Chunks eine Bedeutung zugewiesen werden kann.
Überlegen Sie mal: Eignen Sie sich nicht auch bei neuen Nummern eine Eselsbrücke an?
Falls nicht, habe ich natürlich noch ein weiteres Beispiel in Petto.
Buchstaben-Salat
Auch bei Buchstaben hilft uns die Chunking-Methode als Gedächtnis-Stütze. Auf diese Art kann man sich unter anderem sichere Passwörter merken.
Ich gebe mal ein Beispiel (nicht nötig zu sagen, dass ich mir das gerade ausdenke, keiner meiner Accounts funktioniert über dieses Passwort ?): Nehmen wir mal…
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Ich glaube, das macht einen ziemlich sicheren Eindruck. Aber wie soll man sich denn diese Anreihung scheinbar willkürlicher Zeichen ins Gedächtnis hämmern?
Ganz einfach: mit Chunking, denn so willkürlich war das nicht:
Kati schreibt blogs für Waldhirsch! Warum? weil sie 24/7 Neuromarketing liebt
Sehen Sie? Ich verknüpfe die Zeichen mit bedeutungsvollem Inhalt und unterteile sie in bedeutungsvolle Chunks bzw. Brocken – nämlich in einzelne Sätze mit einer zusammenhängenden Bedeutung. Kein Hexenwerk!
Miller und viele andere Wissenschaftler haben dabei rausgefunden, dass es völlig egal ist, ob es sich bei der Information um Zahlen, Buchstaben oder andere Einheiten handelt. Ich glaube, Sie haben das Prinzip verstanden.
Kleine Häppchen für’s Gedächtnis
Ich rede von Brocken und leichter verdaulichen noch dazu. Würg. Das Ganze hat aber natürlich wenig mit unserem Magen zu tun. Bei der Chunking-Methode geht es darum, wie Informationen schneller durchs Kurzzeitgedächtnis rutschen und im Langzeitgedächtnis landen.
Denn so nützlich unser Kurzzeitgedächtnis auch ist – schließlich muss nicht alles mein Langzeitgedächtnis zumüllen-, es wird schnell eng darin.
Wie eng? Auch das hat uns der gute George Miller in seiner Chunking-Hypothese mit auf den Weg gegeben. Die magische Zahl lautet 7. Oder eher 5-9, je nach Veranlagung der Person.
In anderen Worten: Laut der Chunking-Methode kann unser Kurzzeitgedächtnis bis zu 9 Informationseinheiten verarbeiten und recht schnell ans Langzeitgedächtnis weitergeben. Dort können sich die Details eines Chunks, beispielsweise die einzelnen Zahlen innerhalb einer Einheit, richtig schön breitmachen.
7 Chunks oder doch nur 4?
Sind Sie bereits etwas mit Online Marketing in Berührung gekommen und schauen Sie sich öfter mal die Nutzervorteile und Alleinstellungsmerkmale auf den Webseiten der Konkurrenz an?
Dann stellt sich Ihnen vielleicht die Frage: Warum werden häufig eher 3 Punkte als 7 aufgelistet?
Während die Regel der 7 Chunks, auch Miller’sche Zahl genannt, schon als eine Art magische Formel in unserem kulturellen Gedächtnis verankert ist, haben neueste Studien etwas anderes herausgefunden. Untersuchungen der University of Missouri deuten darauf hin, dass unser Kurzzeitgedächtnis vermutlich eher ein Maximum von 3-4 Chunks verarbeiten kann.
Es gibt unterschiedliche Haltungen zu der Anzahl von Einheiten beim Chunking. Meine Devise: Vorsicht ist die Mutter der Porzellan-Kiste! Wenn man mit 3 Einheiten auf der sicheren Seite ist, dann sollte man versuchen, seine Informationen entsprechend zu gruppieren.
Natürlich kommt es dabei wieder auf die Art des Inhalts an: So sieht man in Blogbeiträgen und ähnlich informellen Texten immer noch häufig 7 Chunks (z.B. 7 Tipps, 7 Tricks und 7 No-Goes). Und das funktioniert auch, weil der primäre Such-Intent der Nutzer dabei das Wissen selbst ist, nicht eine Leistung oder ein Produkt.
Benefits: 8 zum Preis von 3!
Jetzt aber ran an den Speck. Wie können wir Chunking im Online Marketing konkret einsetzen, um Wettbewerber hinter uns zu lassen, die noch nicht auf den verkaufspsychologischen Zug aufgesprungen sind?
Wir wissen, dass Informationen in Chunks am besten in Erinnerung bleiben. Natürlich kann der Kunde dieses Chunking auch selbst schaffen, wenn er sich eine Seite anschaut. Dafür muss er aber schon etwas mehr zeitlichen und kognitiven Aufwand aufbringen. Und diese Mühe machen sich die wenigsten (die Info gibt es schließlich meist irgendwo anders einfacher).
Was wir für Kunden übernehmen können, übernehmen wir also.
Ein Beispiel:
Lina ist Immobilienmaklerin. Sie will natürlich, dass ihre Alleinstellungsmerkmale verlässlich im Langzeit-Gedächtnis der Webseiten-Besucher landen. Mehr als 3 Punkte sollten es laut den neuesten Erkenntnissen zur Chunking-Methode also nicht sein.
Das Problem (für die Gedächtnis-Kapazität des Kunden, nicht generell): Lina hat 8 tolle Vorteile, die sie von ihren Konkurrenten unterscheiden.
- Geboren und aufgewachsen in der Region
- Ein kostenloses Tool zur Immobilienbewertung
- Mehrere Auszeichnungen
- Eine spezielle und zertifizierte Qualifikation für den Hausverkauf bei Erbgemeinschaften (eine von Lina’s wichtigsten Zielgruppen)
- Erreichbarkeit nach den normalen Bürozeiten und am Wochenende
- Wahnsinnig gute Kundenbewertungen
- Eine Full-Service-Dienstleistung: vom Marketing-Konzept bis zur Finanzberatung
- 20 Jahre Erfahrung
Die Lösung für dieses „Problem“ haben Sie vermutlich bereits erraten und ist ziemlich naheliegend: Lina muss die 8 Punkte in sinnvoller Weise auf 3 Chunks herunterbrechen.
Zum Beispiel so:
„Regionalität“ (1, 5, 8):
Wir kommen aus der Region und kennen sie wie unsere Westentasche. Und zwar privat ebenso wie beruflich, denn wir haben als Makler bereits 20 Jahre Erfahrung in Südbaden. Für unsere treuen Kunden in dieser Gegend sind wir natürlich auch am Wochenende erreichbar.
„Vertrauenswürdigkeit“ (2, 3, 6):
Ohne Vertrauen geht es nicht! Das Immobiliengeschäft lebt von Kundenbewertungen: Zum Glück haben wir viele Empfehlungen von zufriedenen Kunden! Außerdem bezeugen unsere vielen Auszeichnungen unsere ausgezeichnete Leistung. Und eine erste Immobilienbewertung bekommen Sie bei uns erstmal kostenlos.
„Kompetenz“ (4, 7):
Hier geht es nicht um unsere Makler-Lizenz (die wir natürlich haben, keine Frage). Wir sind jedoch ganz speziell für Ihre Bedürfnisse ausgerüstet und haben beispielsweise besondere Qualifikationen im Bereich Erbschaften. Auch darüber hinaus machen wir in unserem Makler-Büro keine halben Sachen. Wir kümmern uns um alles, vom Marketing-Konzept über Notar-Termine bis hin zur Steuerberatung.
Und Voilà: Wir haben 3 konkrete Vorteile aufgezählt, und mit etwas Glück landen diese mitsamt der Unterpunkte im Langzeitgedächtnis.
Emotionalisierung:
Warum gehen alle Informationen erstmal durchs Kurzzeitgedächtnis, bevor sie im Langzeitgedächtnis landen? Es gibt mehrere Gründe, aber einer davon ist, dass das Kurzzeitgedächtnis unwichtige Informationen herausfiltert.
Unwichtig? Sind ja wohl keine von Lina’s Vorteilen. Die haben alle einen Wert für Kunden eines Makler-Büros.
Aber (und vielleicht haben Sie sich das bereits gedacht, dann Bravo!) – die Punkte Regionalität, Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz sind an sich wenig aussagekräftig und finden sich so ähnlich wahrscheinlich auf jeder zweiten Konkurrenz-Webseite. Eines unserer oben angesprochenen Marketing-Ziele, nämlich „auffallen“, haben wir nicht erreicht!
Und obwohl wir hier im Einvernehmen mit der Chunking-Methode nur 3 Punkte haben, die sehr valide Vorteile darstellen, riskieren wir, dass das Kurzzeitgedächtnis vom Kunden – das eh schon vom informationsüberfluteten Web überlastet ist – die Informationen aussiebt.
Es gilt wie immer: Emotional, nicht rational verkaufen! Warum? Weil 90% unserer Kaufentscheidungen emotional und unterbewusst passieren.
Wie machen wir die Punkte ansprechender und emotionaler? Ganz einfach, indem wir die Überschriften etwas peppiger gestalten:
Statt „Regionalität“: Südbaden ist unsere Westentasche
Statt „Vertrauen“: Auf uns können Sie setzen
Statt „Kompetenz“: Alles unter Dach und Fach
Haben wir die Kunden erst einmal emotional überzeugt, kommt der Rest von ganz allein. So lesen Kunden das Kleingedruckte häufig nur noch, um sich Ihre emotionale Entscheidung durch rationale Gründe bestätigen zu lassen. Und das Kurzzeitgedächtnis gibt die emotionale Info sowieso direkt ans Langzeitgedächtnis weiter.
Übrigens: Wenn Sie mehr über emotionales Verkaufen im Online Marketing lesen wollen, gefällt Ihnen vielleicht auch unser Beitrag zu „Emotionalisierung“.
7 Tipps fürs Marketing
Ich habe bereits einige Tipps und Beispiele fürs Online Marketing gegeben, aber Ihrem Hirn zuliebe kommt hier eine praktische Checkliste mit 7 konkreten Tipps.
Die Tipps gelten vor allem für Ihre Webseiten-Texte, Sie können sie meist aber auch auf den Content von Social Media Kanälen, Ads usw. anwenden.
Und ja, 7. Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Tipps so wichtig sind, dass sie das schaffen!
- Bereits die Inhaltsangabe sollte die Chunking-Methode integrieren und nicht mehr als 5 Punkte beinhalten
- Sorgen Sie für inhaltlich und visuell klar herausstechende Überschriften, die schon beim Überfliegen als „Chunks“ auffallen
- Sorgen Sie für klare visuelle Hierarchien, bei denen zusammengehörige Objekte gruppiert werden
- Verwenden Sie möglichst kurze Absätze von nicht mehr als 3-4 Zeilen
- Wichtige Wörter sollten hervorgehoben werden, damit Sie schnell zu einem Chunk zugeordnet werden können
- Geben Sie den Chunks Bedeutung (wie im Beispiel von Lina)
- Benutzen Sie Listen und Aufzählungen ohne Ende! Und wenn Sie absoluter Neuromarketing-Profi sein wollen: Der Primacy-Recency-Effekt diktiert, dass die wichtigsten Punkte an erster und letzter Stelle (wie dieser hier) genannt werden sollten.
Kurzum: Nutzen Sie die Chunking-Methode, wo es geht! Und zwar so, dass Lesern die sinnvolle Gruppierung schon beim Überfliegen des Textes klar wird.
Schluss für heute!
Ich hoffe, Sie nehmen aus dem Beitrag nicht nur eine Erklärung und Definition der Chunking-Methode mit, sondern haben sich überzeugen lassen, dass dieses Gedächtnisphänomen extrem einfach anwendbar und ein geniales Neuromarketing-Tool ist!
Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen? Wenden Sie solche Chunks bereits bewusst an, oder haben Sie eine ganz andere Meinung dazu? Hinterlassen Sie einen Kommentar!
Auch über Fragen oder Anregungen zu weiteren Themen freue ich mich übrigens! ?
Inspirationsquellen:
https://www.usability.ch/news/web-chunking.html
https://www.karstennoack.de/arbeitsgedaechtnis-millersche-zahl/
https://www.brain-effect.com/magazin/dr-karsten-etwas-theorie-fuers-gedaechtnis-tuning
https://weinhandel.digital/die-magische-sieben-im-weinhandel/