Selbst Leute, die mit Marketing nichts am Hut haben, kennen das vermeintliche Erfolgsrezept „Sex sells“. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Emotionen unser Kaufverhalten leiten.
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns deshalb etwas genauer mit dem Konzept der Emotionalisierung. Warum? Weil sich immer noch viele vor der Emotionalisierung zur Kundengewinnung scheuen. Andere belächeln es als kinderleichtes und schnell angewandtes Prinzip. Dabei kann es aber auch schnell falsch verwendet werden.
Mithilfe der Erkenntnisse des Neuromarketers Dr. Häusel klären wir auf: Ist Emotionalisierung wirklich nötig? Und steckt mehr dahinter als das Konzept von nackten Körpern und Fotos von lachenden Gesichtern neben der Produktbeschreibung? Kleiner Spoiler: Absolut!
Emotionalisierung schnell erklärt
Im Marketing steht der Begriff der Emotionalisierung für hirngerechtes Verkaufen und ist ein essenzieller Aspekt des Neuromarketings.
Was heißt das für die Praxis? Ganz einfach. Durch bestimmte Stimuli können Sie im Kundengehirn positive Emotionen hinsichtlich Ihres Produktes, Ihres Unternehmens etc. auslösen und verstärken.
Warum der Hype um Emotionen im Marketing?
Wenn die Qualität vom Produkt stimmt, muss man seine Kunden doch nicht noch mit Emotionalisierung zum Kaufen verführen, richtig?
Leider nicht richtig. Mittlerweile haben Studien belegt, dass unsere Emotionen bei Entscheidungen nicht nur eine große, sondern die wichtigste Rolle spielen.
Fun Fact: Bei Studien mit hirnverletzten Patienten fand der Neurowissenschaftler Antonio Damasio heraus, dass man ohne die Komponente Emotion keine Entscheidungen mehr treffen kann.
Der deutsche Neuromarketer Hans-Georg Häusel vermutet, dass bis zu 80% unserer Entscheidungen unbewusst und emotional getroffen werden. Anderen Wissenschaftlern zufolge sind es sogar bis zu 95%!
Ohne Emotionalisierung keine faire Chance!
Seit den 1980er Jahren wird Emotionalisierung nicht nur immer beliebter, sondern auch immer notwendiger. Denn mit einer trockenen Produktrecherche kommt der Kunde heutzutage kaum noch gegen die schiere Informationsüberflutung von zu vielen und zu ähnlichen Produkten an.
Stattdessen sucht der Konsument nach einem emotionalen Kauferlebnis und entscheidet schlussendlich nach dem „Bauchgefühl“. Auch wenn er das nicht unbedingt so sieht. Denn Emotionen schaffen es oft nicht bis in unser Bewusstsein.
Durch eine gekonnte (!) Emotionalisierung setzt sich ein Produkt von anderen ab. Es bleibt besser im Gedächtnis, und die Kaufentscheidung für dieses Produkt wird wahrscheinlicher.
Was heißt das für unser qualitativ hochwertiges Produkt? Wenn ähnliche Produkte besser emotionalisiert werden, entscheidet sich der Kunde eher für diese – im schlimmsten Fall auch bei schlechterer Qualität. Mit der Angst vor Emotionalisierung ist also keinem gedient.
Also ran an den emotionalen Speck – Wie emotionalisiert man denn nun am besten? Ich habe es oben schon vorweggenommen: Unsere Emotionen können sehr viel mehr als „sexy“ und kitschigen Herzschmerz. Im Gegenteil: Preschen wir auf Teufel komm raus auf die Emotionen unserer Kunden zu, kann das auch schnell zur Abschreckung werden.
Die limbischen Typen
Um raffiniert und erfolgreich zu emotionalisieren, muss man erst einmal mehr über unser Oberstübchen wissen. Deshalb hat sich der Neurowissenschaftler Hans-Georg Häusel in jahrelanger Forschung ein tiefgehendes Verständnis von menschlichen Emotionen und ihrer Rolle in unserem Kaufverhalten angeeignet.
Das Ergebnis ist ein Modell, benannt ist es nach dem limbischen System – also dem Hirnbereich, der für unsere Emotionen zuständig ist.
Häusels Modell ist weit umfassender und detaillierter als andere Emotions-Modelle. Gleichzeitig zeichnet es sich durch eine hohe Verständlichkeit und eine leichte Umsetzbarkeit für die Praxis des Marketings aus.
Demnach verfügen wir alle über 3 Emotionssysteme, denen sich ein Großteil unserer Emotionen zuordnen lassen.
Diese drei Emotionssysteme – die „Big 3“ – sind die Grundmotive für unsere Kaufentscheidungen.
Die Big 3:
- Dominanz-System: Ziele sind Konkurrenz-Verdrängung, Autonomie usw.
- Balance-System: Ziele sind Sicherheit, Stabilität usw.
- Stimulanz-System: Ziel ist das Entdecken und Erlernen von Neuem usw.
Weil die Emotionssysteme wie alle Funktionen im Hirn nicht klar trennbar und meist gleichzeitig aktiv sind, entstehen an den Schnittpunkten Mischungen.
- Im emotionalen Bereich Abenteuer/Thrill treffen sich das Stimulanz und Dominanz-System
- Im emotionalen Bereich Fantasie/Genuss treffen sich das Balance und Stimulanz-System
- Im emotionalen Bereich Disziplin/Kontrolle treffen sich das Dominanz und Balance-System
Schon hier wird einem das Offensichtliche vor Augen geführt. Unser Emotionsraum beinhaltet sehr viele unterschiedliche Emotionen – und auch weit mehr als die 6 Basisemotionen, die früher vermutet wurden.
Was heißt das für Sie? Bei Ihrer Emotionalisierungsstrategie haben Sie eine Fülle an Optionen!
So richtig wissen Sie aber nicht, wie Sie die 3 Emotionssysteme im Marketing umsetzen sollen? Konkretes Anwendungspotenzial finden Sie bei den damit verbundenen Werten.
Wertesystem als konkretes „How to“ fürs Marketing
Wie sie oben im Bild sehen: Die großen drei Emotionssysteme lassen sich mit bestimmten Werten verknüpfen. Diese sind nun schon etwas greifbarer und können als konkrete Anleitung für die Umsetzung von Emotionalisierung im Marketing dienen.
Sprich, um positive Emotionen im Bereich des Dominanz-Systems auszulösen, kann ich ganz gezielt die dort angesiedelten Werte ansprechen. Zum Beispiel, indem ich mein Produkt als neues Statussymbol präsentiere.
Positive Emotionen im Bereich der Balance kann ich stattdessen auslösen, indem ich auf die Sicherheit meines Produktes hinweise.
Jedes Detail zählt!
Und es geht noch spezifischer. Den verschiedenen Emotionssystemen können bestimmte Farben, Formen, Musikstyle und noch vieles mehr zugeordnet werden, die im entsprechenden System für Glücksgefühle sorgen.
So bezaubern Braun- und Grüntöne das Balance-System, das Dominanz-System wird von dunklen Farben angezogen, und das Stimulanz-System freut sich immer über ein sonniges Gelb.
Ok, kurze Verschnaufpause. Sie sehen die Emotionalisierung vor lauter Optionen nicht mehr? Keine Sorge, die Devise lautet nicht: mehr hilft mehr. Das würde nicht nur uns als Marketer, sondern auch das Kundenhirn überstrapazieren und käme viel zu übertrieben rüber.
Arbeiten Sie lieber gezielt: Emotionalisieren Sie nach den limbischen Eigenschaften ihrer Zielgruppe.
Zur limbischen Persönlichkeit Ihrer Kunden
Zwar verfügen wir alle über die drei Emotionssystem Dominanz, Balance und Stimulanz. Die Ausprägung dieser Emotionssysteme unterscheidet sich jedoch von Person zu Person. Egal ob durch unsere Gene, unsere Kultur oder unsere Erziehung: Wir alle haben unterschiedliche emotionale Persönlichkeitsschwerpunkte. Häusel benennt in seinen Forschungen daher insgesamt 7 verschiedene Typen, für die wir gezielt emotionalisieren können.
Je nach limbischer Persönlichkeitsstruktur unterscheidet sich das konkrete Produktinteresse und die Qualitätserwartung Ihrer Zielgruppe. Nutzen Sie nun die Macht aller oben genannten Emotionalisierungswerkzeuge, um den spezifischen limbischen Persönlichkeitstypen ihrer Kunden anzusprechen!
Hier ein einfaches Beispiel:
Markus verkauft Sportwagen. Er kann davon ausgehen, dass vor allem Performer nach seinen Produkten suchen. Er sollte also darauf achten, auf seiner Website Werte wie Status und Macht im Dominanz-System anzusprechen. Mit dunklen Farben und Bildern, in denen Führungskräfte seine Autos fahren, ist er da schon gut aufgestellt. Lachende Familien und ein quietschgelber Hintergrund haben hier nichts zu suchen. Auch für das Versprechen eines gesunden Rückens durch die wirbelsäulengerechte Form der Sitze interessiert sich der Performer nicht.
Eine genauere Beschreibung und Erklärung der limbischen Persönlichkeitsstrukturen finden Sie in unserem Artikel über limbische Zielgruppen.
Wir haben uns nun recht ausgiebig mit positiven Emotionen beschäftigt. An dieser Stelle soll jedoch noch auf einen anderen Aspekt der Emotionalisierung eingegangen werden, mit dem Sie sich von vielen Wettbewerbern abheben können.
Stellen Sie sich den negativen Emotionen!
Viele Marketer stürzen sich bei Ihren Emotionalisierungsstrategien voller Eifer auf starke positive Emotionen und den perfekten Wow-Effekt, der das Kundenherz höherschlagen lässt.
Aber Häusel und andere Neuromarketer warnen uns: Unser Gehirn verfügt nicht nur über ein Belohnungssystem, das uns mit Dopamin und Endorphinen beglückt. Es gibt auch ein Bestrafungssystem, dass uns mit entsprechenden Botenstoffen negative Emotionen beschert.
Negative Emotionen haben die evolutionäre Funktion, uns vor potenziell tödlichen Entscheidungen zu bewahren. Klar, dass sich diese Emotionen ziemlich gut einprägen.
Studien haben gezeigt, dass diese negativen Emotionen verheerendere Auswirkungen auf den Kunden haben können. Sie haben nämlich einen deutlich stärkeren Einfluss auf das Gehirn als positive Emotionen!
Fun Fact: Die Psychologen Kahneman und Tversky zeigten in ihren einflussreichen Studien, dass der Verlust von Geld viel stärkere negative Emotionen auslöst als dass der Gewinn der gleichen Summe positive Emotionen auslöst.
Für eine erfolgreiche Emotionalisierung sollten Sie deshalb darauf achten, negative Emotionen beim Kunden zu vermeiden und zu reduzieren.
Auch in Häusels limbischen Modell haben negative Emotionen Ihren festen Platz, sodass sie je nach emotionalem Grundmotiv gezielter vermieden werden können.
Im Dominanz-System leuchten die Warnglocken, wenn sich Emotionen wie Wut oder Machtlosigkeit anbahnen. Das Stimulanz-System kann öde Langeweile nicht ertragen und das Balance-System sorgt dafür, dass Stress und Unsicherheit vermieden werden.
Achtung: Genau wie positive Emotionen laufen auch viele negative Emotionen im Unterbewusstsein ab. Handeln Sie also proaktiv, anstatt auf eine Beanstandung Ihrer Kunden zu warten! Denn auf die können Sie in der Regel lange warten – ebenso wie auf die Kunden, die Ihnen bei zu vielen negativen Emotionen wegbleiben.
Hier ein paar hilfreiche Tipps, wie Sie die häufigsten Ursachen für negative Emotionen im Ansatz ersticken.
Schaffen Sie Vertrauen:
Während die Systeme Dominanz und Stimulanz das Kundenhirn zum Kaufen animieren, hat das Balance-System durch sein Sicherheitsbedürfnis eher eine hemmende Wirkung auf unser Kaufverhalten.
Vor allem im Online-Marketing werden Kaufaktionen schnell als riskant empfunden. Besonders hier können Vertrauenssiegel, Kundenrezensionen und ein paar Informationen über das Unternehmen darüber entscheiden, ob der Kunde auf „Kaufen“ klickt oder nicht.
Vermeiden Sie Frust:
Sie kennen es mit Sicherheit: Man will sich beim Fernsehabend entspannen und dabei ein paar Chips gönnen. Die Packung lässt sich aber einfach nicht öffnen! Alle Familienmitglieder versuchen der Reihe nach ihr Bestes, bis die Tüte endlich nachgibt – und dabei mit so viel Schwung aufreißt, dass die Hälfte der Chips in den Couchritzen landet. In Zukunft werden Sie im Supermarkt vermutlich eher zu einer anderen Packung greifen.
Im Online-Marketing gibt es ähnliche Frust-Faktoren, weshalb sich Fachleute spezifisch mit der User Experience – also der Erfahrung von Nutzern auf einer Website – befassen. Unauffindbare oder nicht funktionierende Buttons, endloses Durchklicken und andere Frust-Potenziale können so ausgemerzt werden.
Managen Sie Kundenerwartungen:
Binden Sie Ihrem Kunden keinen Bären auf! Zu unseren Werten passt das sowieso nicht. Aber auch sonst tun Sie sich mit falschen Versprechungen keinen Gefallen.
Indem Sie trotz häufiger Verspätungen schnelle Lieferzeiten garantieren, oder Ihre Produktqualität besserreden als sie ist, schießen die Erwartungen ihrer Kunden schnell in unermessliche Höhen. Wenn sie dann von der Realität auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden, sind Wut und Enttäuschung vorprogrammiert.
Stattdessen sollten Sie mit Authentizität den Kunden für sich gewinnen. Auch Sie haben nicht alles unter Kontrolle. Und: Ehrliche Fehler sind menschlich und können sogar zu mehr Nähe zwischen Ihnen und Ihren Kunden führen! Vorausgesetzt, Sie gehen richtig damit um. Mehr zum Potenzial von Patzern lernen Sie in diesem Beitrag zum Pratfall-Effekt.
Schluss für heute!
Ich hoffe, der Beitrag hat Ihnen gezeigt: Emotionalisierung ist für ein erfolgreiches Marketing essenziell! Oft wird das Konzept jedoch zu vereinfacht angewendet. Indem Sie ein paar grundlegende Kniffe im Kopf behalten, können Sie jedoch viel mehr erreichen. Der Schlüssel ist detailorientiertes Arbeiten und Authentizität!
Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Sind Sie auch von der Macht der Emotionalisierung überzeugt? Werden Sie die Tipps verwenden, oder achten Sie bereits darauf? Oder haben Sie eine ganz andere Meinung dazu? Hinterlassen Sie einen Kommentar!
Auch über Fragen oder Anregungen zu weiteren Themen freue ich mich übrigens! ?
Inspirationsquellen:
Häusel, Hans-Georg. 2012. Emotional Boosting: Die hohe Kunst der Kaufverführung. Haufe, Freiburg (2. Auflage).
https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-8350-9521-2_4
https://hbr.org/2006/01/decisions-and-desire
https://de.wikipedia.org/wiki/Ant%C3%B3nio_Dam%C3%A1sio