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    IKEA Effekt: Selbst ist die Kundschaft

    In diesem Beitrag erfährst du, was es mit dem IKEA Effekt auf sich hat und wie dieser für Produkte, Dienstleistungen und zur Conversion Rate Optimierung auf Webseiten angewendet werden kann. – Spoiler: hier werden keine Möbel verkauft.

    Was ist der IKEA Effekt?

    Laut dem IKEA Effekt schätzen Menschen den Wert von Produkten, die sie selbst hergestellt oder mitgestaltet haben, viel höher ein als den Wert von fertigen Produkten.

    Ok. So dargestellt überrascht der IKEA Effekt ja gar nicht sooo sehr. Zumindest, wenn man annimmt, dass sich dieses Phänomen auf wirklich kreative, individuelle Herstellungsprozesse bezieht.

    Ein Beispiel: Wenn du einen Tisch in mühseliger Kleinstarbeit selbst herstellst und wochenlang am Hobeln, Schleifen und Hämmern bist (und was es sonst noch alles dafür braucht) – dann hat dieser Tisch natürlich einen ganz besonderen Platz in deinem Heimwerker:innen-Herz verdient.

    Ein Fertig-Tisch aus dem Möbelhaus hat sicherlich weniger sentimentalen Wert für dich.

    Diese 2 Dinge haben uns am IKEA-Effekt überrascht:

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    Beim IKEA Effekt geht es nicht nur um sentimentalen Wert. Die Liebe und Wertschätzung für deinen Tisch drückt sich also nicht nur emotional aus – indem du alle Bekannten jahrelang mit der Geschichte nervst -, sondern auch in deiner Zahlungsbereitschaft! Denn die steigt drastisch bei selbst hergestellten Produkten. Und das, obwohl du im Grunde nur für die Materialien zahlen würdest und die Zeit und Energie der Zusammenstellung selbst investierst!

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    Die Individualisierung (à la „so einen Tisch hat sonst keiner!“) ist zwar ein netter Neben-Effekt und kann die Wertschätzung zusätzlich steigern, aber sie ist nicht nötig, um den IKEA Effekt zu triggern.

    Diese Fakten wurden spätestens 2011 belegt – und zwar in den Studien, durch die der IKEA Effekt seinen Namen erhalten hat.

    Übrigens: Die Möglichkeit einer Individualisierung ist eine wichtige Überlegung im Rahmen des IKEA-Effekts. Mehr dazu erkläre ich weiter unten.

    Beweislage: Studien von Norton und Kollegen

    Uns ist wohl allen klar: IKEA steht nicht gerade für hoch-individualisierte Produkte. Und doch hat die Arbeit beim Zusammenbau der eigenen Möbel einen gewissen Reiz. Und das schwedische Unternehmen freut sich über unglaubliche Verkaufsraten.

    Was als Geschäftsmodell eben irgendwie gut zu funktionieren scheint, haben die amerikanischen Forscher Michael Norton, Dan Ariely und Daniel Mochon 2011 in ihrem Buch „IKEA Effect – When Labor Leads to Love“ als zum ersten Mal als zutiefst menschliche, psychologische Wahrnehmungsverzerrung belegt.

    So führten die Forscher beispielsweise eine Studie durch, in der eine Proband:innen-Gruppe Aufbewahrungsboxen von IKEA zusammenbauen musste. Danach sollten die Proband:innen bestimmen, wie viel das Produkt kostet.

    Eine andere Gruppe bekam die Aufbewahrungsboxen bereits fertig zusammengestellt präsentiert und wurde ebenfalls nach einer Preiseinschätzung gefragt.

    Das Ergebnis: Die Proband:innen, die die Box in Eigenarbeit zusammenstellten (und zwar völlig nach Anleitung und ohne jegliche Kreativität oder eigenen Stil) hätten 63 % mehr für das Produkt gezahlt als die Vergleichsgruppe mit den nutzfertigen Boxen!

    Übrigens: Obwohl der IKEA Effekt erst durch Norton und Kollegen 2011 geprägt wurde, wurde das psychologische Phänomen der gesteigerten Zahlungsbereitschaft durch die gesteigerte Eigenleistung schon früher beobachtet.

    So konnte ein amerikanischer Hersteller von Backmischungen seinen Umsatz in den 50er Jahren um ein Vielfaches erhöhen, indem er das Rezept so veränderte, dass beim Backen noch ein Ei beigemischt werden muss. Die zusätzliche Mühe, das Ei hinzuzufügen, reichte völlig, um die Wertschätzung für das Produkt drastisch zu erhöhen!

    Der IKEA-Effekt im Dienstleistungssektor

    Obwohl der IKEA-Effekt klassischerweise an Produkten getestet wurde, können wir die Erkenntnisse auch auf Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor anwenden. Hier 2 Beispiele:

    Urlaub mit Arbeit

    Auf der richtigen Spur sind Reiseveranstalter:innen, die Aktiv- oder vielmehr Mitmach-Urlaube anbieten. Beliebt sind beispielsweise Bauernhöfe, auf denen die Reisenden Kühe melken oder Ställe ausmisten müssen. Häufig werden diese Art von Reisen sogar zu einem höheren Preis als „traditionelle“ Entspannungsurlaube angeboten – mit Erfolg!

    Coaching-Programme

    Anstatt Projekte vollständig zu übernehmen oder Lösungen fertig abzuliefern, kannst du Workshops, Seminare oder Coachings anbieten, bei denen du gemeinsam mit Unternehmer:innen oder deren Mitarbeiter:innen an einer Lösung arbeitest. Abgesehen davon, dass das gemeinsam geschaffene Ergebnis den IKEA-Effekt triggert, profitierst du und deine Kundschaft dabei auch auf andere Arten – du sparst dir simple Arbeiten, die Kundschaft kann zukünftige Projekte selbst durchführen usw.

    Ob sich ein Coaching-Programm für dein Unternehmen anbietet, hängt natürlich von der Branche ab. Nur weil es sonst noch keiner in deiner Branche macht, heißt es nicht, dass es den Bedarf nicht gibt.

    Was dahinter steckt: Kognitive Dissonanz

    Da jede und jeder von uns irgendwann einmal davon betroffen ist, können wir die gesteigerte Wertschätzung unter dem IKEA Effekt vermutlich alle nachvollziehen. Trotzdem ist nach kurzer Überlegung klar: Rational geht anders.

    Denn ich spare nicht nur Zeit und Energie, wenn ich mir ein Produkt bereits fertig geben lasse, sondern echte Profis können Boxen, Webdesigns und Co. wahrscheinlich besser bauen als ich. Und dennoch: der IKEA Effekt funktioniert auch, wenn meine IKEA Box wackelt!

    Woran liegt es also, dass ich für das gleiche oder eventuell sogar minderwertigere Produkt mehr bezahle, nur weil ich es selbst erstellt habe? Grund ist mitunter das psychologische Prinzip der kognitiven Dissonanz.

    Die Theorie der kognitiven Dissonanz besagt, dass wir unsere Einstellungen und Überzeugungen unterbewusst anpassen, um kognitive Konflikte zu bewältigen. Im Rahmen des IKEA Effekts sähe der kognitive Konflikt wie folgt aus: „Warum muss ich denn selbst daran arbeiten, wenn ich das Produkt woanders fertig bekomme?“

    Jetzt aber aufgepasst! Denn in diesen Fällen macht unser Gehirn, das stets nach positiven Emotionen strebt, etwas ziemlich Spannendes:

    Es bewertet die Sachlage (in unserem Fall die erstellte IKEA-Box) besonders positiv, um die Anstrengung der Herstellung zu kompensieren und den kognitiven Konflikt zu beseitigen.

    Dabei schlägt das Hirn gerne mal über die Stränge, sodass es am Ende sogar mehr Glückshormone ausschüttet als bei Produkten, für die wir gar keine Anstrengung unternehmen mussten.

    Verrückt, aber: Voilà, der IKEA-Effekt zeigt Wirkung!

    KISS und Komplett-Pakete sind Quatsch?

    Klare Sache: Nein. Die Menschen kaufen, was sie verstehen. Sie mögen es unkompliziert und am besten gibt es eine Anlaufstelle für alle Probleme. Einfach ist also immer noch gut!

    Doch steht das nicht im Widerspruch mit dem IKEA Effekt? Offensichtlich wirkt der ja ziemlich gut, sonst wäre das Möbelhaus wahrscheinlich bereits auf ein anderes Geschäftsmodell umgestiegen.

    Um es kurz zu machen: Es geht um das richtige Gleichgewicht! Was die Kundschaft hasst, ist übermäßige Mühe, Komplexität und Stress. Was sie jedoch liebt, ist Interaktion, das Gefühl, involviert zu sein und Produkte, über die sie sich nicht nur freuen, sondern auf die sie stolz sein können.

    Was heißt das nun für die Umsetzung des IKEA Effekts?

    Ganz einfach: Die erforderliche Eigenleistung muss einfach bleiben. du solltest deine Kundschaft fordern, nicht überfordern.

    Geht es dir gerade wie mir? Ok, ich spreche es aus: Ich denke gerade an die 53 Mal zurück, als ich schimpfend am IKEA-Möbel zusammenbauen saß und irgendetwas nicht funktionierte. Aber alles ist relativ: Im Vergleich zu anderen Dingen ist das Zusammenbauen von Boxen nach Anleitung immer noch ziemlich einfach. Stelle dir mal vor, du müsstest irgendwelche IT-Produkte zusammenbasteln – und zwar ohne Instruktion!

    Ich drücke es anders aus: Die kognitive Dissonanz muss so gering sein, dass sie im Unterbewusstsein bleibt. Sobald Kundschaft den bewussten Gedanken fasst: „Das ist eigentlich anstrengender als nötig“, ist Hopfen und Malz verloren.

    IKE- Effekt für Neukund:innengewinnung

    Hast du schon den Haken entdeckt? Richtig: Der IKEA Effekt entfaltet seine Wirkung im Belohnungszentrum eigentlich erst, nachdem das entsprechende Produkt erworben und zusammengebastelt wurde.

    Im Prinzip profitierst du vom IKEA-Effekt also vor allem, wenn:

    • du Produkte oder Lösungen anbietest, die mehrmals gekauft werden (wie die Backmischung mit Ei)
    • du positive Bewertungen bekommen willst oder
    • du dir ganz generell eine positive Reputation aufbauen willst

    Ist der IKEA-Effekt also völlig nutzlos für die Neukundschaftsgewinnung? Nicht unbedingt – du musst nur etwas tiefer in die Marketing-Trickkiste greifen, um dem IKEA-Effekt einen Boost zu geben.

    Unsere Tricks

    Trick 1: Deine Webseite als Spielwiese mit IKEA Effekt

    Im Grunde genommen funktioniert der IKEA-Effekt doch so: Je mehr Energie ich in eine Aufgabe stecke, desto besser gefällt mir das Ergebnis. Wer sagt aber, dass du bis nach dem Kauf des Produkts auf den IKEA Effekt warten musst?

    Mache einfach jeden Schritt der Customer Journey zu einem Prozess mit Ergebnis, für das die Kundschaft arbeiten muss! Anders gesagt: Lasse die Kundschaft ein bisschen aktiv werden, statt ihr passiv alle Informationen und Angebote vorzukauen.

    Wie? Zum Beispiel durch interaktive Elemente, die sie anklicken und entdecken können. Ein noch stärkeres Gefühl der Errungenschaft kreierst du durch Filter oder Fragebögen, die die Kundschaft ausfüllen muss, um überhaupt ein Angebot zu sehen.

    Ein Beispiel:

    „Welcher Urlaub zu Ihnen passt? Tragen Sie hier Ihre Interessen und Gewohnheiten ein und wir spucken Ihnen passende Angebote aus.“

    Wenn die Kundschaft nach dieser aktiven – aber überhaupt nicht komplizierten! – Tätigkeit bei der Kontaktanfrage ankommt, wurde der IKEA-Effekt vermutlich bereits ausgelöst.

    Die positiven Emotionen erhöhen also bereits im Vorfeld die Wertschätzung für das zu Angebot und der Kaufklick wird mit größerer Wahrscheinlichkeit betätigt.

    Trick 2: Individualisierung

    Ich habe weiter oben angedeutet, dass Individualisierung beim IKEA Effekt in indirekter Weise eine Rolle spielt: Und zwar genau hier, für die Neukundschaftsgewinnung. Lasse die Kundschaft frei entscheiden, wie ihr Tisch, Schuh oder Haus aussehen soll. Einen großen Einfluss hat hier die Reaktanz-Theorie: Diese besagt, dass die Kundschaft nach Entscheidungsfreiheit streben. Du schlägst also 2 Fliegen mit einer Klappe!

     

    Zusammenfassung

    Der IKEA-Effekt besagt, dass Menschen selbstgemachte oder mitgestaltete Produkte höher schätzen als fertige Produkte. Dieser Effekt kann auf verschiedene Bereiche angewendet werden, von der Produktgestaltung bis zur Conversion Rate Optimierung von Webseiten.

    Anwendung des IKEA-Effekts

    Der IKEA-Effekt kann auch auf Dienstleistungen angewendet werden, z.B. durch Mitmach-Urlaube oder interaktive Coaching-Programme.

    Es ist wichtig, die erforderliche Eigenleistung so zu gestalten, dass sie die Kund:innen fordert, aber nicht überfordert.

    Tricks zur Nutzung des IKEA-Effekts für die Neukund:innengewinnung:

    • Gestalte die Customer Journey interaktiv, um die Kunden aktiv einzubeziehen und ihre Wertschätzung für das Angebot zu steigern.
    • Biete Möglichkeiten zur Individualisierung an, um die Entscheidungsfreiheit der Kunden zu fördern und ihre Wertschätzung zu erhöhen.

    Der IKEA-Effekt bietet eine Möglichkeit, die Kundenbindung zu stärken und die Conversion Rates zu verbessern, indem Kunden aktiv in den Gestaltungsprozess eingebunden werden.