Vor lauter ähnlichen Produkten, Wettbewerbern und Informationsüberflutung platzt das Internet fast aus allen Nähten.
Eine der größten Marketing-Herausforderung ist es deshalb, sich bei potenziellen Kunden schnell ins Gedächtnis zu brennen und dort zu bleiben.
Werfen wir einen Blick in die Werkzeugkiste der Psycho-Effekte, sehen wir: Der Primacy-Recency-Effekt eignet sich perfekt für dieses Vorhaben!
In diesem Beitrag klären wir: Was ist der Primacy-Recency-Effekt, wie funktioniert er, wo läuft er uns tagtäglich über den Weg und – für Marketing-Begeisterte natürlich besonders wichtig – wie kann ich den Primacy-Recency-Effekt gekonnt im Online Marketing einsetzen?
Primacy-Recency-Effekt schnell erklärt
Kurz gesagt: Der Primacy-Recency-Effekt ist ein psychologisches Gedächtnisphänomen. Genau genommen handelt es sich dabei um 2 unterschiedliche Effekte – den Primacy Effekt und den Recency Effekt. Diese können unter dem Begriff der seriellen Positionseffekte zusammengefasst werden.
Was die Wirkungsweise der Effekte ist? Sie beeinflussen und verzerren unser Erinnerungsvermögen je nach der Reihenfolge, in der Merkmale, Argumente und dergleichen angeordnet werden.
Ein Schlüsselkonzept für Neuromarketing-Liebhaber: Beim Primacy-Recency-Effekt geht es um hirngerechte Kommunikation vom Feinsten!
Was bedeutet Primacy Effekt?
Der erste Eindruck zählt – nicht umsonst kennt man diese Redewendung nur allzu gut. Und sie ist mehr als zutreffend!
Egal ob Liebe auf den ersten Blick oder ein unsympathischer Eintritt in die Geschäftsbeziehung. Die ersten Eindrücke sitzen tief und lassen sich nicht ohne weiteres verändern, wie uns der Psychologe Luchins und andere Wissenschaftler bereits im letzten Jahrhundert bewiesen.
Was bedeutet Recency Effekt?
Der Recency Effekt offenbart die Tatsache, dass wir auch dem letzten Eindruck ein Übermaß an Bedeutung zuweisen. Denken Sie nur an die Kino-Welt:
Der Protagonist ist in den ersten 85 Minuten des Films ein unmoralischer Taugenichts, beeindruckt aber im großen Finale kurz vor Filmschluss durch eine große Geste und überraschenden Scharfsinn. Ob Sie es zugeben möchten oder nicht: Der Großteil der Zuschauer findet den Charakter jetzt spitze. Es gibt ein Happy End, er ist ein Held.
Wer zum Schluss lacht, lacht eben am besten – besagt zumindest der Recency Effekt.
Wer gewinnt?
Stört Sie der Widerspruch in den Aussagen der Effekte? Ist nun der erste oder der letzte Eindruck wichtiger für unser Gedächtnis?
Wenn Sie das Bedürfnis nach einer ganz klaren Antwort haben möchten, was ich nachvollziehen kann, dann lautet diese: Der Primacy Effekt wird häufig als der Stärkere der beiden Effekte genannt.
In der Realität kommt es allerdings ganz auf die Situation, Ihre Veranlagung und andere Faktoren an. Klar ist, dass beide Effekte immer einen positiveren Einfluss auf Ihr Erinnerungsvermögen haben als das, was „dazwischen“ passiert.
Kurzum: Beide Phänomene sind sehr effiziente Neuromarketing-Tools.
Alltags-Beispiele für den Primacy-Recency-Effekt
Der Primacy-Recency-Effekt begegnet uns allen ständig. Waren Sie je Teil eines Gesangs- oder Tanzwettbewerbs oder haben einen mitverfolgt? Dann wissen Sie vermutlich, dass Wettbewerber die Aufführung am liebsten beginnen oder beenden.
Warum? Um im Gedächtnis der Jury zu bleiben!
Gewiefte Studenten ordnen die Stichpunkte auf Ihren Lern-Karten nach dem Primacy-Recency-Effekt an. Keynote-Speaker hauen Sie mit dem ersten Argument vom Hocker und geben Ihnen am Ende des Vortrags einen wichtigen und tiefgründigen Tipp mit, der Sie noch wochenlang beschäftigen wird.
Und last but not least: Der Primacy-Recency-Effekt ist natürlich eine absolute Goldmine fürs Marketing. Weshalb wir den Effekt nun noch einmal genauer aus Marketing-Perspektive betrachten!
Praxistipps
Der Primacy-Recency-Effekt im Marketing
Nicht alle Psycho-Tricks lassen sich so leicht und erfolgreich im Marketing anwenden wie der Primacy-Recency-Effekt. Falls Sie irgendwas mit Marketing am Hut haben, sind Ihnen vermutlich bereits einige konkrete Beispiele in den Sinn gekommen.
Falls nicht, sollten Ihnen folgende Beispiele recht schnell auf die Sprünge helfen:
Listen & Benefits
Sie haben ein Unternehmen? Mit Sicherheit stellen Sie auf Ihrer Webseite eine Reihe an Verkaufsargumenten vor, die Besucher davon überzeugen soll, bei Ihnen und nicht Ihren Konkurrenten zu kaufen.
Neben-Bemerkung: Falls Sie solche USPs noch nicht auf Ihrer Webseite haben, machen Sie sich schnellstmöglich dran!
Bestimmt sind alle Ihrer Verkaufsargumente wichtig, aber ganz ehrlich: Sie sind bestimmt nicht alle gleich wichtig. Und jetzt – Sie ahnen es – nehmen Sie die beiden überzeugendsten Punkte und stellen diese an den Anfang und ans Ende Ihrer Liste.
Ein Beispiel: Frank ist IT-Dienstleister. Sein Unternehmen…
- glänzt durch einen freundlichen Kunden-Service.
- bietet eine Version der Software kostenlos an.
- hat eine bekannte Auszeichnung für die sichersten IT-Lösungen in der Region gewonnen.
- wird von IT-Experten mit über 10 Jahre Branchen-Erfahrung geführt.
Es kommt natürlich ganz darauf an, was Frank in den Vordergrund stellen möchte. Aber einige Argumente ziehen einfach besser als andere.
Schön, dass Frank freundlich ist, aber dieser Claim hebt ihn nicht wirklich von der Konkurrenz ab. Eine kostenlose Software-Version? Das ist was anderes – da hüpft das Kundenherz! Dieses Argument sollte deshalb dem Primacy Effekt zufolge zuerst genannt werden und nicht irgendwo in der Listen-Mitte verloren gehen.
Und damit Frank mit einem WOW im Gedächtnis bleibt, sollte er vermutlich eher die Auszeichnung ans Ende der Liste packen. Erfahrung ist ein solides Argument, aber recht verbraucht – eine Auszeichnung ist aber eine öffentliche Leistungsanerkennung, die Frank ganz offensichtlich von anderen Unternehmen unterscheidet!
Sie sehen: Der Primacy-Recency-Effekt ist unglaublich einfach und schnell umzusetzen – und kann ein gigantischer Faktor bei der Kaufentscheidung Ihrer potenziellen Kunden sein!
Natürlich lässt er sich nicht nur auf solche USP-Listen anwenden, sondern auch auf die Anordnung von Abschnitten in Blogbeiträgen oder auf die Abfolge von Kundenrezensionen.
Kontrast gegen den Primacy Effekt
Natürlich besteht eine Landingpage nicht NUR aus Listen und Bullet Points. Es braucht auch (meistens) etwas Fließtext. Hier kann man Sätze und Wörter natürlich nicht willkürlich anordnen, wie man möchte.
Sonst wäre ja jeder Text ein kompletter Buchstabensalat! Was ist also die Lösung? Ich will Sie nicht lange auf die Folter spannen, denn es ist ziemlich offensichtlich: Man verwendet fettere Schriftarten, um die wichtigsten Wörter hervorzuheben. Ein super einfacher Tipp, der aber oft einfach vergessen wird!
Nehmen wir einmal ein Beispiel von der Waldhirsch-Webseite. Dort erklären wir verschiedene Möglichkeiten, wie Kund:innen unsere Strategien umsetzen können (sie machen die Umsetzung, wir machen die Umsetzung, oder wir arbeiten gemeinsam an der Umsetzung). Die 1. Möglichkeit beschreiben wir so:
Obwohl es sich um einen Fließtext handelt, können wir sichergehen, dass selbst Leser:innen, die den Text nur überfliegen, die Wörter „eigenständig umsetzen“, „kostengünstig“ und „zeitintensiv“ wahrnehmen.
Was wir hier anwenden, um gegen den Primacy Effekt anzukämpfen, ist also der Kontrast-Effekt. Auch zu diesem Thema habe ich einen nützlichen Beitrag für Sie verfasst!
Mehr Kontrolle für mehr Eindruck
Ich habe bereits in einigen Beispielen gezeigt, welche Rolle der Primacy Effekt bei der sozialen Wahrnehmung spielt – egal ob in romantischen oder geschäftlichen Belangen, der erste Eindruck bleibt.
Auch im Online Marketing sollten Sie sich den Primacy Effekt zunutze machen, um sich in der Kunden-Wahrnehmung in ein möglichst positives Licht zu rücken! Wie ich das meine?
Vielleicht wissen Sie bereits, dass sich Unternehmer am besten auch persönlich auf der Webseite vorstellen. Wenn nicht, empfehle ich ihnen unseren Beitrag zu Bildhafter Sprache, in dem das Thema Storytelling angerissen wird.
Wenn sich die Geschäftsführung persönlich vorstellt, kann der Kunde viel mehr Nähe und Vertrauen zum Unternehmen und seinen Produkten bzw. Dienstleistungen aufbauen. Der Primacy Effekt gibt uns einen zusätzlichen Grund, warum Sie den Nutzern bereits auf der Webseite einen Eindruck von Ihnen als Person vermitteln sollten.
Denn: Was im direkten und spontanen Kundenkontakt passiert, können Sie nicht immer kontrollieren. Vielleicht haben Sie die Nacht zuvor schlecht geschlafen, das letzte Hemd war ungebügelt, oder Sie müssen die ganze Zeit ins Telefon husten. Alles nicht weiter schlimm – und doch alles Kleinigkeiten, die den positiven ersten Eindruck trüben.
Mit Ihrer Webseite haben Sie die Möglichkeit, den ersten Eindruck von Ihnen so ideal wie möglich zu gestalten! Und der Primacy Effekt besagt: Es ist einiges nötig, um diesen Eindruck wieder zunichtezumachen.
Nutzen Sie die Mitte
Geben wir es zu: Manchmal müssen wir bestimmte Dinge auf unserer Webseite integrieren, auch wenn sie in der Realität NIE passieren werden und noch nie vorgekommen sind. Wir wollen ehrlich und transparent sein. Aber wir wollen auch nicht, dass sich diese unwahrscheinlichen Details im Kundenhirn verankern.
Ein Beispiel:
Ihr Unternehmen liefert bestimmte Produkte direkt zu Ihren Kunden. Die Lieferungen sind stets extrem pünktlich. Aber natürlich könnte es theoretisch irgendwann einmal vorkommen, dass das Produkt nicht rechtzeitig beim Kunden ankommt – schließlich können Sie selbst mit eigenem Fuhrpark nicht jede Eventualität im Straßenverkehr voraussehen.
Diese Info wollen sie (zurecht) auf die Seite packen, damit der Kunde nicht das Gefühl hat, belogen worden zu sein. Im Fall der Fälle weiß er: Ach ja, da stand doch was, das Unternehmen hat keine falschen Versprechungen gemacht.
Neben-Bemerkung: Mehr über die Vermeidung von negativen Emotionen erfahren Sie unserem Beitrag zur Emotionalisierung im Marketing.
Im besten Falle erinnert sich der Kunde nur an diese Information, wenn es zu einer Verspätung kommt. Es soll kein Merkmal sein, dass er langfristig mit Ihnen in Verbindung bringt.
Der einfachste Tipp: Nutzen Sie den Umkehrschluss vom Primacy-Recency-Effekt und packen Sie diese Information zwischen zwei erinnerungswürdige Benefits! Ungefähr so:
Wir glänzen nicht nur mit hochwertigen Produkten, sondern auch mit außerordentlicher Pünktlichkeit! Natürlich kann es auch bei uns zu Verspätungen kommen, weil wir den Verkehr nicht kontrollieren. Aber die Treue unserer vielen Langzeit-Kunden bezeugt: Bestellungen bei XY lohnen sich. Das Beste an unserem Service? Sie bekommen bei der ersten Lieferung ein kostenloses Produkt X dazu!
Schluss für heute!
Ich hoffe, der Beitrag hat Ihnen den Primacy-Recency-Effekt nicht nur verständlich vermittelt, sondern gezeigt, dass dieses Gedächtnisphänomen extrem einfach anwendbar und geniales Power-Tool fürs Online Marketing ist.
Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen? Wenden Sie den Primacy-Recency-Effekt bereits bewusst oder unbewusst in Ihrem Marketing an, oder haben Sie eine ganz andere Meinung dazu? Hinterlassen Sie einen Kommentar!
Auch über Fragen oder Anregungen zu weiteren Themen freue ich mich übrigens! ?
Inspirationsquellen
Primacy Effekt – Wie er die Wahrnehmung beeinflusst
Recency Effekt – Warum der letzte Eindruck täuschen kann