Wie im Beitrag Psychotricks der Werbepsychologie angekündigt, widme ich mich im Laufe der nächsten Wochen gemeinsam mit meinem Team der Thematik. Wir betrachten dabei Auswirkungen und Möglichkeiten, die die Neurowissenschaft in Bezug auf die Werbepsychologie mit sich bringt. Anhand verschiedener, in der Wirtschafts- und Werbepsychologie verbreiteter Effekte, möchte ich herausfinden, welche Tipps und Tricks vor allem im Online Marketing angewandt werden können, um Sympathie zu Wunschkunden aufzubauen.

 

Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.

Ludwig Wittgenstein, 1953

Dem Stroop-Effekt ausgesetzt

Leider muss gleich zu Beginn dieses Beitrags klargestellt werden, dass den Stroop-Effekt mit der niederländischen Spezialität, der Stroopwafel, bis auf den fast gleichen Namen nichts verbindet. Trotz allem ist der Stroop-Effekt eine süße Verführung, wird er richtig eingesetzt.

Zu Beginn dieses Beitrags haben wir eine kleine Aufgabe. Und zwar in etwa die Aufgabe, die der amerikanische Psychologe John Ridley Stroop bereits im Zuge seiner Dissertation anwendete.

Schritt 1 – Lesen Sie in der folgenden Zeile nicht das Wort vor, sondern sagen Sie bei den folgenden Wörtern die Farbe, in der es abgebildet ist:

Grafik von fünf Farben in gleicher Farbe dargestellt

Bisher unproblematisch, oder? Dann erhöhen wir den Schwierigkeitsgrad nun ein wenig.

Schritt 2 – In diesem Schritt wieder nur die Farben der Worte aussprechen:Grafik von fünf Farben in anderer Farbe dargestellt

Für diesen Schritt haben Sie mit Sicherheit schon ein bisschen länger gebraucht, oder?

Schritt 3 – Versuchen Sie nun die Geschwindigkeit zu erhöhen:Grafik von fünf Farben in anderer Farbe dargestellt

Vermutlich haben Sie nun sogar noch ein bisschen länger gebraucht, weil Sie sich innerlich unter Druck gesetzt haben?

Was passiert nun in unserem Kopf, wenn wir einer solchen Aufgabe ausgesetzt sind? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das menschliche Gehirn in aller erster Linie Informationen liest. Sind wir also einzelnen Worten ausgesetzt, lesen wir diese erst, bevor wir weitere Informationen, wie beispielsweise die Farbe des Wortes wahrnehmen.

Der Nicht-Anders-Können-Effekt

Der Stroop-Effekt kann gleichermaßen der „Nicht-Anders-Können-Effekt“ genannt werden. Unser Gehirn kann nicht anders, als ein Wort zu aller erst zu lesen. So führt dieses Phänomen in unserm Kopf zu Verwirrung & Konflikt. Sinnesüberreizung und sich widersprechende Informationen produzieren ein wahres Gedanken-Wirrwarr. Das Gehirn kommt also beim Versuch, das grün geschriebene Wort „Gelb“, auseinander zu halten, in Schwierigkeiten. Dieser mentale Prozess kostet viel Energie und stört die Aufmerksamkeit des Lesers, da sein „Flow“ gestört wird. So tritt durch unsere natürliche Lese-Automatik die Bedeutung eines Wortes fast immer in den Vordergrund.

Wie kann der Stroop-Effekt clever genutzt werden?

Der Stroop-Effekt funktioniert nicht nur in Verbindung mit Farben. Er kann praktisch für jede Behauptung oder Aussage eingesetzt werden und damit unzensiert und unbewusst vom Rezipienten aufgenommen werden. Dabei ist die Wirkung der Worte meist stärker als bei „lauter“ Werbung.

Erinnern Sie sich an die Tipps aus dem vorigen Bericht zum Thema Valins-Effekt? Vor allem bildliche Sprache spielen hier eine große Rolle. Auch der Stroop-Effekt wird durch Kopfkino wirksam, hier steht jedoch die Bedeutung der gewählten Worte im Vordergrund. Es gilt, den Rezipienten wortwörtlich an die Wörter zu fesseln und in den Bann zu ziehen. Erst dann kommt eine Botschaft beim Empfänger so an, dass diese nicht vergessen wird.

It’s a kind of magic.

Schon früher galten Wortgewandte Menschen als klug und weise und meist waren diese Wortmächtigen Menschen diejenigen, die Leitende oder Beratende Funktionen erfüllten. Die Menschen vertrauten ihnen. Aber was sind Wörter? Und warum wiegen sie bei einer Person mehr, bei einer anderen weniger?

Wenn man so will, sind Wörter die ausgesprochenen Gedanken eines Menschen. Mit Worten weisen wir Dingen und auch Menschen ihren Platz in der Welt zu. Daher sind Worte so machtvoll, so magisch und können daher verzaubern. Sie können Schaden anrichten, oder aber die Welt verändern. I have a dream… Schon ein einziges Wort, oder ein kurzer Satz kann den Puls und die neuronale Aktivität steigern. Wie das anfängliche Zitat Ludwig Wittgenstein’s besagt: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“.

Es kommt also nicht darauf an, wie viele Worte genutzt werden, sondern welche und wie. In den meisten Fällen ist weniger sogar mehr. Stellen Sie sich ein Werbeplakat, oder – um beim Online Marketing zu bleiben – eine Webseite vor, die an sich zwar vielleicht sogar ansprechend aussieht, aber auf den ersten Blick überfüllt ist mit Text. Da hat man meistens schon gar keine Lust, auf der Seite zu bleiben, geschweige denn den Text wirklich durchzulesen. Auch wenn das auf der Webseite vorgestellte Produkt sinnvoll ist und dem Nutzer einen Mehrwert bieten könnte, wirkt dessen Darstellung möglicherweise eher abschreckend und lädt nicht zu einer Transaktion ein.

Besondere Angebote brauchen besondere Worte

Es lohnt sich also, die richtigen Worte für ein Produkt, oder eine Dienstleistung zu finden. Diese Worte sorgen schlussendlich dafür, dass das Angebot gesehen wird, dass der Kunde sich damit identifizieren kann, davon berührt wird. Wörter müssen daher interessant und ansprechend sein, dabei aber verständlich und nachvollziehbar bleiben.

Ist Ihnen beispielsweise aufgefallen, dass die Werbebranche mittlerweile kaum noch englische Slogans für internationale Produkte in Deutschland ausstrahlt? Die Werbemacher tendieren nun immer mehr dazu, deutsche Wörter für Produkte einzusetzen, da diese verstanden werden und Kunden sich damit besser identifizieren können. So hat beispielsweise die Parfümkette Douglas ihre Werbebotschaften von „come in and find out“ zu „Douglas macht das Leben schöner“ umgestellt. Auch Audi wirbt nun nicht mehr mit „driven by instinct“, sondern lässt „pur und faszinierend“ Bände sprechen.

Anwendungsmöglichkeiten im Online Marketing Bereich

Unser Ziel als werteorientierte Online Marketing Agentur ist es nicht, Kunden anzusprechen, die mit einer Leistung nichts anfangen können. Wir wollen niemandem etwas andrehen. Daher ist uns besonders wichtig zu hinterfragen, ob und wie dieser Effekt von Unternehmen angewendet werden kann, um die richtigen Kunden von einem Produkt zu überzeugen, dass sie auch wirklich benötigen.

Wie kann der Stroop-Effekt nun von Unternehmen eingesetzt werden, um potenziellen Wunschkunden ein Produkt oder eine Dienstleistung emotional nahe zu bringen? Nachfolgend ein bisschen Inspiration dazu:

 

Grafik mit Tipps, wie man den Stroop-Effekt im Marketing nutzen kann

 

Tipp 1 – Weniger ist mehr

Wie schon erwähnt ist es meist sinnvoller weniger, aber dafür passendere Worte zu wählen. Statt mit vielen Worten um sich zu werfen lohnt es sich meist, Produkte oder Dienstleistungen prägnant und ansprechend zu beschreiben.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Apple. Wussten Sie, dass Apple’s erste Werbeanzeigen überflutet waren von Informationen? Das Produkt wurde zwar beworben, rückte dabei aber stark in den Hintergrund – Paradox, oder nicht? Mit der Zeit änderte sich die Herangehensweise jedoch, sodass heute das Produkt im Fokus steht und mit kurzen, aber vor allem sehr mächtigen Wörtern beworben wird.

Tipp 2 – Dingen eine Bedeutung verleihen

Sie wurden gerade selbst als Testperson für das zweite Beispiel genutzt. Drei Zeilen weiter oben, hatten wir nämlich geschrieben, dass Apple mit „,mächtigen“ Wörtern wirbt. Aber was bedeutet das Wort mächtig? Jeder hat dafür eine für sich selbst passende Definition in seinem Kopf. Die einfache Zusammenfassung von Stroops Arbeit ist, dass das Wort mehr bedeutet als das, was es beschreibt. Und wer könnte einem Wort mehr Bedeutung verleihen als das eigene Gehirn. Nutzen Sie also Adjektive, die eine Sache so vage beschreiben, dass jeder für sich seine eigene Assoziation im Kopf erhält.

So kann auch ein kleiner Handstaubsauger im Kopf als extrem „leistungsstark“ wahrgenommen werden. ?

Tipp 3 – Tiefsinn & verborgene Ideen

Wir wollen mit Worten herausstechen und die Rezipienten fesseln. Neben kurzen, aber informativen Sätzen, kann die Aufmerksamkeit vor allem durch eine tiefere Sinnhaftigkeit des zu lesenden Materials gefangen werden. Wortspiele, Phrasen, Metaphern – der Kreativität sind keinerlei Grenzen gesetzt. Der Stroop-Effekt zwingt den Leser dazu, etwas zu lesen und neuronal zu interpretieren, was auf den zweiten Blick schon ganz anders scheinen kann. So wird ein AHA-Effekt ausgelöst, der beim Leser seine Wirkung entfalten wird. Hier raten wir dazu, die Muttersprache der Rezipienten – in unserem Fall Deutsch – anzuwenden. Tiefgründigkeit und Sinnhaftigkeit der Informationen können so am Besten verstanden und erkannt werden.

Tipp 4 – Persönlichkeit & Transparenz

Wer kennt es nicht – wir hören oder lesen von einer persönlichen Erfahrung, können uns total hineinfühlen und saugen jedes Wort in uns ein. Menschen sind generell daran interessiert, an Erlebnissen anderer Menschen Teil zu haben. Vor allem, wenn diese Erlebnisse intensiv, hautnah und in bildlich-emotionaler Sprache verfasst wurden, fühlen sich Leser angesprochen und abgeholt. Nahbar zu sein und eine gewisse Transparenz durchscheinen zu lassen, ist jedoch nicht immer angebracht. Passt eine transparente und persönliche Kommunikation zu den angebotenen Produkten und Dienstleistungen?

Werden Sie das Wissen Nutzen?

Wir ermutigen Sie, das Wissen um den Stroop-Effekt einzusetzen und durch unsere Tipps möglicherweise neue Wunschkunden zu gewinnen. Gerne begleiten wir Sie auch auf der Reise! Haben Sie Fragen zum Thema, oder zu unseren Angeboten? Dann freuen wir uns über Ihre Nachricht.

Bis zum nächsten Beitrag!

Ihre Wanda Hirsch

 

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